Unter einem Schleudertrauma versteht man eine Verletzung der Weichteile der Halswirbelsäule (HWS), welches meistens durch plötzliche Überstreckung oder Beugung verursacht wird (häufig bei einem Auffahrunfall). Durch die unvorhergesehene starke äußere Krafteinwirkung entstehen Distorsionen, schmerzhafte Steilhaltungen, Gefäßverletzungen und Muskelverspannungen im Bereich der Nacken- und Halsmuskulatur. Unter Umständen können auch Einrisse des vorderen Längsbandes, beziehungsweise Verletzungen der Bandscheibe auftreten. Beim Schleudertrauma liegt stets eine Stauchung (Verrenkung, Zerrung) der Halswirbelsäule (HWS) zu Grunde.
Nach einem Schleudertrauma klagen einige Patienten über dauerhafte Beschwerden und entwickeln ein so genanntes chronisches Schleudertrauma-Syndrom. Bislang ist unklar, in welchem Ausmaß ein solches Schleudertrauma-Syndrom von seelischen, körperlichen und/oder sozio-kulturellen Ursachen hervorgerufen wird. Der Beschwerdekomplex kann von Land zu Land sehr unterschiedlich aussehen. Besonders häufig kommt die HWS-Zerrung in Deutschland und der Schweiz vor. Im Ausland wird die Erkrankung daher auch unter dem Begriff „the german disease" geführt. Ein Schleudertrauma lässt sich nicht immer äußerlich nachweisen, so dass dieses Krankheitsbild in Bezug auf die Schmerzensgeldklagen immer wieder stark umstritten erscheint.
Je nach Ausmaß der Beschwerden werden Schleudertraumata in fünf verschiedene Schweregrade (0 bis IV) eingeteilt.
Häufigste Ursache für die Entstehung eines Schleudertraumas stellt der Verkehrsunfall dar. Hauptursache ist dabei der Auffahrunfall, wobei die Insassen des vorderen Wagens gefährdet sind. Auch seitliche Unfälle stellen ein großes Risiko dar. Neben Verkehrsunfällen kommt es auch häufig bei Sportunfällen, vor allem bei Kampfsportarten wie Judo, Karate oder Boxen und beim Besuch von Freizeitparks (z.B. Achterbahn) zu einem Schleudertrauma. Die Gefahr eines Schleudertraumas ist immer dann vorhanden, wenn ruckartige Bewegungen unbeabsichtigt erfolgen.
Das akute Schleudertrauma ist in den meisten Fällen Folge eines Auffahrunfalls. Hierbei wird der Kopf von vorne nach hinten oder umgekehrt bewegt, ohne dass der Betroffene dabei entgegen wirken kann. Der Kopf wird nach dem Aufprall erneut ruckartig bewegt, diesmal jedoch in die entgegengesetzte Richtung (Peitschenhieb-Bewegung). Durch die ruckartigen Kräfte kann es unter Umständen zu komplexen Verletzungen kommen. Der Betroffene hat zudem keinerlei Möglichkeit, sich auf den Aufprall vorzubereiten, da der Zusammenstoß typischerweise unerwartet und von hinten oder seitlich hinten erfolgt.
In der Regel treten die Beschwerden erst nach wenigen Stunden, unter Umständen auch nach wenigen Tagen auf. In erster Linie treten Schmerzen im Bereich der Nackenpartie, verbunden mit einem Steifheitsgefühl der Muskulatur und Kopfschmerzen auf. Hautsymptome des Schleudertraumas sind:
Je nach Schwere des Traumas können weiterhin folgende Beschwerden auftreten:
In schlimmeren Fällen können Instabilitäten am Kopf-Hals-Übergang und Gelenkkapselrisse auftreten. Die Beschwerden halten häufig länger an und können sogar chronifizieren. Anhand einer Forschungsarbeit des Autoherstellers Volvo kam man zu dem Ergebnis, dass 17 Jahre nach dem Unfall noch 55 Prozent der Verletzten darunter leiden und weitere fünf bis acht Prozent unfallbedingt berufsunfähig werden.
Der erste Schritt in der Diagnostik besteht in der Erhebung der Krankengeschichte. Der Arzt fragt gezielt nach den Beschwerden des Patienten, dem genauen Unfallhergang und der Schwere des Unfallmechanismus. Besonders ausgebildet sind dafür so genannte D-Ärzte, Durchgangsärzte. Das sind Orthopäden und Unfallchirurgen mit großer Unfallerfahrung. Daher sollte jeder Verletzte, möglichst noch am Unfalltag, einen D-Arzt aufsuchen. Dieser führt nach dem ärztlichen Gespräch, eine körperliche und neurologische Untersuchung durch.
Bei der körperlichen Untersuchung wird der genaue Ausmaß der Erkrankung ermittelt und gegebenenfalls weiter reichende Erkrankungen wie beispielsweise eine Wirbelsäulenverletzung mit Knochenbeteiligung oder Hirnverletzungen bestätigt oder widerlegt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Überprüfung des Nervstatus. Die Augenbeweglichkeit ist dabei von großer Bedeutung, da sie unter Umständen Hinweise auf eine Gehirnerschütterung liefern kann. Im Anschluss wird festgelegt, welche technischen Zusatzuntersuchungen noch notwendig sind. Zu den Untersuchungsmethoden gehören:
In seltenen Fällen kann eine Ultraschalluntersuchung der großen Halsarterie oder eine Liquordiagnostik (Untersuchung des Hirnwassers) erforderlich werden.
Die Therapie ist abhängig von der Schwere der Verletzung. Heute verordnet man in der Regel eine kurze Schonzeit von bis zu drei Tagen. Der Patient sollte in diesen Tagen anstrengende Arbeiten, langes Sitzen, starke Erschütterungen etc. vermeiden. Bei leichten Verletzungen reichen in der Regel eine kurzfristige, medikamentöse Therapie der Schmerzen (z.B. durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Paracetamol oder Opioide) und krankengymnastische Übungen aus, um die Beschwerden zu lindern. Im Akutstadium sollten kräftige Massagen und manipulative Behandlungen unterlassen werden, da sie in diesem Stadium zu einer Zunahme der Beschwerden führen.
Bestehen dagegen langwierige und ausgeprägte Beschwerden durch ein Schleudertrauma, so ist in diesem Fall eine gut koordinierte Kombinationsbehandlung aus antidepressiven Medikamenten, kognitiver Verhaltenstherapie und Physiotherapie sinnvoll. Auch die psychotraumatologische Komponente trägt wesentlich zur Symptomatik und zum Krankheitsverlauf bei, so dass verschiedene Reaktionen des Körpers und Trauma-Symptome zur Chronifizierung der körperlichen Beschwerden führen. Somit kann auch ein kleiner Unfall, Reaktionen aus früheren Unfällen reaktivieren. Zur Behandlung dieser Komponenten hat sich die Somatic Experiencing-Traumatherapie bewährt.
Bei einem Schleudertrauma ist die Anlage einer Halskrawatte, auch Schanz'sche Krawatte genannt, nicht sinnvoll. Die Halsmuskeln verlieren nämlich durch eine zu lange Ruhigstellung leicht an Kraft und können die Wirbelsäule weniger gut stabilisieren. Es kommt eher zu einer Verschlimmerung der Beschwerden. Man sollte daher möglichst schnell zu den alltäglichen Aktivitäten zurückkehren. Auch die Anwendung von Akupunktur kann sich bei dauerhaften Verspannungen als schmerzlindernd auswirken. Jede Therapie orientiert sich an den jeweiligen individuellen Beschwerden, so dass man hier auch von einer symptomatischen Therapie des Schleudertraumas spricht.
In der Regel vergehen die Schmerzen und die Steifheit des Nackens durch ein Schleudertrauma nach wenigen Tagen oder Wochen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie dauert die Heilung im Durchschnitt einen Monat. Wichtig für eine rasche Heilung ist die fühzeitige Behandlung. Nach einem Schleudertrauma kommt es nur selten zu Spätfolgen (nur bei 2-3 Prozent der Patienten), das Risiko ist also relativ gering. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Patienten jahrelang mit den Folgen eines chronischen Schleudertraumas konfrontiert sind. Der Heilungsprozess wird vor allem durch folgende Faktoren verzögert bzw. negativ beeinflusst:
Um ein Schleudertrauma bei einem Verkehrsunfall vorzubeugen, sollten Sie zunächst die Kopfstütze richtig einstellen. Idealerweise sollte ein Abstand von weniger als 2 cm zwischen der Kopfstütze und dem Kopf bestehen. Einige Fahrzeuge sind mit so genannten aktiven Kopfstützen ausgestattet, die sich im Fall eines Heckaufpralls in Richtung des Kopfes bewegen und ihn dadurch früher auffangen. Der schwedische Automobilhersteller Volvo hat das effizienteste Schleudertraumaschutzsystem am Automobilmarkt entwickelt und dafür zahlreiche Auszeichnungen von Verkehrssicherheitsbehörden erhalten. Dieses System wird als WHIPS bezeichnet und verringert die Gefahr, ein Schleudertrauma zu erleiden, um nahezu 80 Prozent.
Hilfreiche Maßnahmen und Tipps zur Selbstbehandlung:
Im folgenden sollen einige Dehnübungen näher erläutert werden. Nehmen Die zunächst eine angenehme Position ein, indem der Rücken relativ gerade gehalten wird, z.B. durch Anlehnen an eine Wand mit ein wenig gebeugten Knien. Dehnübungen werden langsam und bedacht durchgeführt. Dabei kann eine beruhigende Musik zusätzlich Entspannung verschaffen.
Letzte Aktualisierung am 10.05.2021.