Unter einem Wirbelkörperbruch versteht man die Fraktur eines Wirbels der Wirbelsäule. Meist handelt es sich dabei um die Folge eines Unfalls oder osteoporosebedingt. Ein Wirbelkörperbruch kann den Wirbelkörper, Dornfortsatz oder den Wirbelbogen betreffen. Die Hälfte aller Wirbelbrüche entfallen auf die untere Brustwirbelsäule und obere Lendenwirbelsäule (10. Brustwirbelkörper bis zweiter Lendenwirbelkörper). Grund dafür sind die anatomischen und biomechanischen Besonderheiten dieses Bereichs. Verantwortlich dafür sind vor allem der Übergang von der konvexen Brustwirbelsäule zur konkaven Lendenwirbelsäule, die auf einmal fehlende stabilisierende Wirkung des Brustkorbs und die abrupte Änderung der Wirbelgelenkstellung. Bei 20 Prozent der Patienten sind mehr als ein Wirbelkörper betroffen. Weitere 40 Prozent der Halswirbelsäulen-Verletzungen und circa 20 Prozent der Brust- und Lendenwirbelsäulen-Verletzungen sind von neurologischen Begleitverletzungen betroffen. Vor allem bei jüngeren Männern können dabei Querschnittslähmungen auftreten.
Wirbelkörperfrakturen werden generell in stabile und instabile Frakturen eingeteilt. Der stabile Wirbelbruch stellt keine Gefahr für das Rückenmark dar, wobei bei instabilen Wirbelkörperfrakturen das Rückenmark durch bewegliche Frakturfragmente (Bruchteile) gefährdet ist. Die Wirbelsäulenstabilität wird durch die Verletzungsfolgen der hinteren Wirbelsäulenstrukturen beurteilt. Hierzu gehören:
Primär stabile Wirbelsäulenverletzungen stellen sich nach Magerl (1980) wie folgt dar: Kompression oder Stauchung der Wirbelkörperspongiosa, wobei Band- und Gelenkverbindungen intakt sind und allenfalls die Bandscheibe leicht verletzt ist. Daraus resultiert meist der typische Keilwirbel. Die Wirbelkörperhinterwand ist nicht verletzt. Eine Zunahme der Deformierung und Frakturfragmentverschiebung ist trotz Sofortbelastung und Sofortmobilisation nicht zu erwarten. Dagegen sind bei den primär instabilen Wirbelsäulenverletzungen mindestens zwei von drei Stabilitätselementen betroffen bzw. verletzt. Hier besteht die Gefahr der zunehmenden Deformierung und Frakturfragmentverschiebung.
Aufgrund des Entstehungsmechanismus und des Erscheinungsbildes im Röntgen oder CT-Bild lassen sich Wirbelkörperbrüche in unterschiedliche Gruppen einteilen. Die Einteilung erfolgt nach der so genannten ABC-Klassifikation. Wirbelsäulenverletzungen werden hierbei unterteilt nach der Art der Entstehung durch Kompression (A), Beugung-Überstreckung (B) und Verdrehung (C). Zudem kann der Grad der Einengung des Rückenmarks bestimmt werden. In die Klassifikation werden Brüche der Dorn- und Querfortsätze nicht aufgenommen.
Aufgrund der besonderen Anatomie werden Brüche an der oberen Halswirbelsäule anders eingeteilt. Man unterscheidet hier Brüche am Kopf-Hals-Übergang, am ringförmig aussehenden ersten Halswirbelkörper sowie am Zahnfortsatz und Wirbelbogen des zweiten Halswirbelkörpers. Brüche dieser Art sind besonders gefährlich und gehen mit einem erhöhten Risiko für eine Schädigung des Rückenmarks einher. Männer sind zweieinhalb Mal häufiger von einer Wirbelsäulenverletzung betroffen als Frauen. Eine Ausnahme sind die osteoporotisch bedingten Wirbelkörperbrüche, da sie bei Frauen häufiger vorkommen. In Deutschland erleiden jährlich 40.000 Menschen einen Wirbelkörperbruch (Kompressionsfraktur der Wirbelkörper). In 20 Prozent der Fälle liegt eine zusätzliche Rückenmarksverletzung vor.
Wirbelkörperbrüche werden meist verursacht durch:
Die häufigste Ursache von Wirbelkörperbrüchen ist die Osteoporose. Nimmt die Knochendichte auf unter 40 Prozent der Normalwerts ab, so besteht auch die Gefahr von Spontanbrüchen. Es gibt aber auch bestimmte rheumatische Erkrankungen, die zu Instabilitäten und damit zu Brüchen der Wirbelsäule führen können.
Je nachdem, in welchem Bereich die Fraktur lokalisiert ist, bestehen Schmerzen über dem verletzten Wirbelkörper und den benachbarten Wirbelsäulenabschnitten. Hierbei kann die Schmerzintensität sehr unterschiedlich sein. In der Regel gehen Wirbelkörperbrüche mit folgenden Symptomen einher:
Eine leichte Wirbelkörpereinstauchung verursacht meist nur geringe Beschwerden, so dass hier eine Fraktur leicht übersehen werden kann. Dagegen können größere Verletzungen zu erheblich starken Schmerzen führen. Kommt es zu einer Verletzung des Rückenmarks (Durchtrennung, Kontusio spinalis) so können die typischen Symptome einer Querschnittslähmung eintreten. Diese sind:
Bereist durch die Anamnese, also der Krankheits- bzw. Unfallschilderung, dem Verletzungsmuster und der Symptome kann die Verdachtsdiagnose einer Wirbelkörperverletzung gestellt werden. Im Anschluss erfolgt die körperliche Untersuchung einschließlich einer Untersuchung der Nervenfunktionen (Bewegung, Gefühl und Organfunktionen), um Hinweise auf eventuelle Verletzungen des Rückenmarks frühzeitig zu erhalten. Zudem lassen sich über einem Wirbelkörperbruch fast immer Druck- und Klopfschmerzen auslösen.
Wichtig ist vor allem, dass man zunächst die Überprüfung der Wirbelsäulenbeweglichkeit vermeiden sollte, um bei instabilen Brüchen keine Fragmentverschiebung zu provozieren.
Im Anschluss wird einer Röntgenuntersuchung des verletzen Bereich durchgeführt. Die Indikation für die Wirbelsäulenaufnahme sollte großzügig gestellt werden, um nicht nur den beschwerdereichsten Wirbelsäulenabschnitt zu röntgen. Funktionsaufnahmen können wichtige Hinweise auf einen Wirbelkörperbruch geben. Hierbei wird der Wirbelsäulenabschnitt in maximaler Beugung und Streckung geröntgt, um vorhandene Instabilitäten zu erkennen. Ist der Patient bewusstlos, so muss die gesamte Wirbelsäule geröntgt werden, um alle Wirbelkörper beurteilen zu können.
Ist im Röntgenbild eine instabile Fraktur sicher auszuschließen, so sind keine weiteren Untersuchungen erforderlich. Leider sind instabile Frakturen nicht immer auf Anhieb zu erkennen. Dagegen erkennt man bei einer stabilen Fraktur einen Keilwirbel mit eingebrochener Wirbelkörpervorderkante bei intakter Wirbelkörperhinterkante. Kann man im Röntgenbild einen Bruch oder einen verdächtigen Befund (z.B. Verdacht auf eine instabile Fraktur) erkennen, so schließt sich meist eine Computertomographie (CT) an. Bei der Computertomographie werden Röntgenschichtbilder des Wirbelkörpers angefertigt. Durch diese Untersuchung kann man Informationen über eine eventuelle Einengung des Rückenmarkkanals durch die gebrochene Hinterwand des Wirbelkörpers oder andere Strukturen gewinnen. Besteht eine Frakturbeteiligung der Hinterkante, so gilt die Fraktur als instabil.
Eine weitere Untersuchungsmethode ist die Magnetresonanztomographie (MRT). Die MRT dient der Beurteilung des Rückenmarks, der Weichteile, der Bandscheiben und Bänder. Bei der knöchernen Frakturbeteiligung bringt sie keinen weiteren Informationsgewinn. Bei besonderen Fragestellungen sind weitere Untersuchungen wie konventionelle Tomographien, Myelo- und Disco- und Szintigraphien sinnvoll.
Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad und der Instabilität des Wirbelkörperbruchs sowie den Begleitverletzungen. Sie kann konservativ (ohne Operation) oder operativ erfolgen.
Ziel der Therapie ist:
Bei Verdacht auf eine Halswirbelsäulenverletzung ist am Unfallort sofort eine harte Halswirbelstütze anzulegen. Der Verletzte sollte vorsichtig gelagert und transportiert werden. Ein Beugen oder Verdrehen der Wirbelsäule sollte unbedingt vermieden werden. Im Falle einer Rückenmarksverletzung wird in der Klinik zusätzlich eine hohe Dosis Kortison verabreicht, da es den Verlauf eine Rückenmarksverletzung günstig beeinflussen kann.
Meistens werden stabile Wirbelkörperbrüche, Dorn- und Querfortsatzbrüche konservativ behandelt. Bei Wirbelkörperbrüchen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule reicht die Gabe eines Schmerzmittels in den meisten Fällen aus. Die Behandlung der Typ A-, B- und C-Frakturen ist nicht einheitlich. Man kann jedoch sagen, je größer die Instabilität ist, desto eher empfiehlt sich eine operative Behandlung. Zu der konservativen Therapie gehören:
Auch bei osteoporotisch bedingten Wirbelkörperbrüchen steht die konservative Therapie im Vordergrund. Bei der Behandlung sind Schmerzmitteln, Bettruhe und die anschließende Behandlung mit einem Stützmieder vorgesehen.
Ziele der operativen Therapie sind Reposition und Stabilisierung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts. Durch die Operation wird der Bruch gerichtet und die normale Form der Wirbelsäule wiederhergestellt. Zudem wird das eventuell eingeengte Rückenmark entlastet und schließlich der verletzte Bereich durch verschiedene Verfahren stabilisiert.
Eine operative Therapie ist sinnvoll bei:
Folgende Operationsmethoden sind möglich:
Die Kyphoplastie ist ein minimalinvasives Verfahren, bei dem der Wirbelkörper durch einen Ballon wieder aufgerichtet und durch Zementauffüllung des Wirbelkörpers von innen stabilisiert wird. Durch den Ballon wird der Hohlraum also vorgeformt, sodass der gebrochene Wirbelkörper leicht aufgerichtet wird und dadurch der Zement besser eingespritzt werden kann.
Auch hier wird ein spezieller Knochenzement zur Stabilisierung und Schmerzlinderung in den gebrochenen Wirbelkörper gespritzt. Die gebrochenen Wirbelanteile werden somit miteinander verbunden. Der einzige Unterschied zur Kyphoplastie ist, dass hier keine Aufrichtung durch einen Ballon erfolgt.
Sie gelten als Operationsmethode der ersten Wahl. Hierbei werden durch einen von dorsal (rückenwärts) eingebrachten Fixateur interne (Knochenspanner) die Wirbelkörper stabilisiert (vor allem bei Brust- und Lendenwirbelsäulenverletzungen).
Hierbei handelt es sich um einer versteifende Verplattung, welches vor allem bei Halswirbelkörperfrakturen durchgeführt wird.
Wie bereits erwähnt werden die Frakturen meist mit Schrauben-Stangensystemen und Platten stabilisiert. Dagegen können komplett geborstene Wirbelkörper entweder durch körpereigenen oder fremden Knochen oder durch künstliche Platzhalter (z.B. Titankörbchen) ersetzt werden. Anhand dieser Verfahren wird die Belastung vom frakturierten Wirbelkörper genommen. Dadurch kann der Patient postoperativ frühmobilisert werden.
Je nach Ausmaß des Wirbelkörperbruchs kommt es in den meisten Fällen zu einer vollständigen Heilung. Leider lässt sich auch mit modernsten Techniken häufig eine gewisse Fehlstellung oder auch Instabilität im Verlauf der Jahre nicht verhindern. Es kommt also zu einer dauerhaften Veränderung des Wirbelkörpers und somit auch seiner Funktion. Benachbarte Strukturen können dadurch dauerhaft überlastet werden. Der einmal eingestauchte Knochen kann sich, im Gegensatz zu anderen Knochen, nicht wieder aufrichten.
Ist es zudem auch zu Nervenverletzungen gekommen, so ist der Ausmaß der Schädigung und die Dauer bis der Schaden behoben werden konnte, entscheidend für die Prognose. Leichte Nervenirritationen bilden sich in der Regel fast immer zurück. Dagegen ist die Prognose bei einer Querschnittssymptomatik eher ungünstig, aber auch hier ist eine vollständige Wiederherstellung möglich. Bei einer osteoporosebedingten Wirbelfraktur spielt die Osteoporosetherapie eine entscheidende Rolle, da ohne Therapie weitere Brüche an den Wirbelkörpern drohen.
Operativ versorgte Wirbelkörperbrüche werden in der Regel mit Dreipunkt-Stützkorsetts für einige Wochen nachbehandelt. Nach der Operation erreicht man mithilfe der Korsetts oft eine schnelle Mobilisierung. Die früher übliche wochen- oder monatelange Bettruhe im Korsett ist heute aufgrund der besseren Operationstechniken fast ganz verschwunden. Nach Abschluss der Heilung sind keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen mehr erforderlich. Bei neurologischen Ausfällen oder einer Querschnittslähmung wird zusätzlich eine regelmäßige sportliche Betätigung und Training (Tetrasport, Rollstuhlsport) empfohlen.
Zudem können Sie das Risiko eines Wirbelkörperbruchs senken, indem Sie Unfälle vermeiden. Achten Sie daher vor allem auf Sicherheitsmaßnahmen im Verkehr, z.B. Anschnallgurte und Airbags und Vorsicht beim Sport. Des Weiteren sollten sich Patienten mit Osteoporose frühzeitig behandeln lassen.
Letzte Aktualisierung am 07.05.2021.