Bei der Hüftkopflösung löst sich das obere Ende des Oberschenkelknochens, die Epiphyse, welches den Gelenkkopf für das Hüftgelenk trägt, vom restlichen Knochen, der Diaphyse.
Die Erkrankung tritt nur bei Kindern auf, da bei ihnen der knorpelige Wachstumsspalt, die Metaphyse, welches zwischen Epiphyse und Diaphyse liegt, noch aktiv ist.
Während des pubertären Wachstumsschubes kommt es im Körper eines Jugendlichen zu verschiedenen Um- und Aufbauprozessen. So stellt auch die so genannte juvenile (jugendliche) Hüftkopflösung ein eigenes Krankheitsbild dieser Entwicklungsphase dar. Die jugendliche Hüftkopflösung ist charakterisiert durch Gleitprozesse bis hin zum vollständigen Abrutschen der Hüftkopfepiphyse vom Schenkelhals in der Wachstumsfuge, während des pubertären Wachstumsschubes.
Typisches Erkrankungsalter ist das 10. bis 14. Lebensjahr. Anders ausgedrückt tritt die jugendliche Hüftkopflösung in der Pubertät auf. Jungen sind dreimal häufiger betroffen wie Mädchen. Durch den späteren Eintritt in die Pubertät ist allerdings auch das typische Alter der Erkrankung bei Jungen und Mädchen verschieden. Jungen erkranken meistens zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr, Mädchen hingegen im Alter von 10 bis 14 Jahren. Typischerweise sind die betroffenen Kinder eher übergewichtig. Zudem tritt bei über der Hälfte der Betroffenen die Krankheit in beiden Hüften auf.
Als Ursachen einer Hüftkopflösung kommen in Frage:
In der frühen Phase der Pubertät kommt es vor allem durch die Umstellung des Hormonhaushaltes im Körperskelett zu einer Verbreiterung und Auflockerung der Wachstumsfugen. Als Ursache wird eine Hormonstörung mit Überwiegen von Somatotropin gegenüber Sexualhormonen vermutet. Durch das rasche Wachstum der aktiven Epiphysenfuge kommt es zu einer Lockerung und damit zu einer verminderten Festigkeit dieser Bereiche, so dass sie für hohe Beanspruchungen verletzungsanfällig werden. Zudem kommt es aufgrund der schrägen Lage der Epiphysenfuge zu einer Gewichtsbelastung durch den Rumpf und dadurch zu einer typischen Verschiebung. Hierbei handelt es sich um allmähliche Verschiebungen der Epiphyse (Lenta-Form). Es kommt nur sehr selten zu akuten Verschiebungen (Acuta-Form). Dann gibt es noch die dritte Form, hier spricht man von akuten Ereignissen bei allmählichen Verschiebungen (acute on chronic). Auch dies ist eine eher seltene Form.
Bestimmte Erkrankungen können zu einem besonders ausgeprägten Ungleichgewicht im Hormonhaushalt führen. Bei solchen Erkrankungen überwiegt in der Regel im Hormonspiegel das Wachstumshormon (STH oder Somatotropes Hormon) gegenüber dem Sexualhormon. In der Folge kommt es unter anderem zu einem gesteigerten Längenwachstum, einer Unterentwicklung der Geschlechtsorgane und ein deutliches gesteigertes Risiko an einer Hüftkopflösung zu erkranken. Das heißt also, dass speziell dieses Hormonungleichgewicht das Auftreten der Krankheit provoziert. Zudem nimmt in der Pubertät die mechanische Festigkeit der Knochen, insbesondere der Wachstumsfugen, bei allen Jugendlichen ab, welches auch vermutlich durch den hormonellen Einfluss hervorgerufen wird. Diese Umstellung kann dazu führen, dass gewisse Bereiche des Knochens der Belastung nicht mehr standhalten können.
Es gibt auch Hinweise auf eine familiäre Veranlagung. Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Betroffenen ist ein Elternteil selbst an einer juvenilen Hüftkopflösung erkrankt gewesen. Das bedeutet wiederum, dass auch genetische Faktoren am Krankheitsprozess beteiligt sein können.
Ein weiterer besonders auffälliger Risikofaktor ist ein deutliches Übergewicht der betroffenen Kinder. Durch die höhere Körpermasse der Übergewichtigen wird die hormonell erweichte Wachstumsfuge zusätzlich stärker strapaziert.
Die letztendliche Ursache der jugendlichen Hüftkopflösung ist bislang nicht ausreichend erforscht. Eine alleinige Ursache lässt sich mit absoluter Sicherheit nicht festlegen. Man geht davon aus, dass das Geschehen vermutlich multifaktoriell ist.
Typische Symptome einer Hüftkopflösung sind:
Treten im Verlauf der Krankheit plötzlich sehr starke Schmerzen auf oder der Betroffene stürzt und kann das Bein fast gar nicht mehr bewegen, so hat sich vermutlich der Hüftkopf vollständig vom Schenkelhals abgelöst. Glücklicherweise ist diese akute Form der Hüftkopflösung relativ selten. Kommt es jedoch zu einer akuten Hüftkopflösung, so handelt es sich um ein Notfall, welches sofort operativ versorgt werden muss.
Generell werden Hüftschmerzen in der Leiste empfunden, können aber gerade bei Kindern auch auf das Knie projiziert werden ( hängt mit dem Verlauf des Nervus obturatorius zusammen). In der Regel wird die endgültige Diagnose mithilfe eines Röntgenbildes gestellt. Der Arzt kann bereits zu Beginn der Erkrankung die Auflockerung der Wachstumsfuge zwischen Hüftkopf und Schenkelhals erkennen. Nicht immer ist die Hüftkopflösung auf einem Röntgenbild gut zu erkennen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann man anhand der verschobenen Knochenanteile das Ausmaß und den Verlauf der Erkrankung gut beurteilen.
Wegen der Gefahr des doppelseitigen Befalls, sollte auch immer die vermeintlich gesunde Seite untersucht und in die Verlaufskontrolle mit einbezogen werden. Bei unklaren Befunden eignet sich die Computertomographie (CT) zur genaueren Abklärung.
Differentialdiagnostisch sollte man auch an die „Dystrophia adiposo-genitalis" ,oder auch Morbus Fröhlich genannt, denken, da es bei dieser Erkrankung auch häufig zu einer Epiphyseolyse kommt.
Die frühere konservative Behandlung mit monatelanger Bettruhe wird heute fast gar nicht mehr durchgeführt. Möchte man eine spätere Belastbarkeit des betroffenen Gelenkes erreichen, so ist eine operative Fixierung notwendig. Man kann heute mit großer Sicherheit sagen, dass mit Operationen die besseren Ergebnisse erzielt werden. Ziel der Therapie ist die Korrektur der Form- und Strukturveränderung des Hüftgelenks sowie das Stoppen des Gleitprozesses, um ernste spätere Folgen möglichst zu verhindern.
Zur Verfügung stehen verschiedene Operationsmethoden. Die Wahl der Methode ist abhängig von dem Umfang und der Art der Schädigung. In der Regel wird der abgleitende Hüftkopf mit mehreren Drahtstiften oder Schrauben am Oberschenkelhals fixiert. Dadurch kann der Gleitprozess gestoppt werden. Drahtstifte werden bei dem Eingriff bevorzugt eingesetzt, da sie das Wachstum und die Blutversorgung des Hüftkopfes weniger beeinträchtigen als die größeren Schrauben. Dagegen versteifen Schrauben die Schwachstelle wirksamer, können allerdings die Wachstumsfuge so stark beeinträchtigen, dass es zu einem vorzeitigen Wachstumsstopp des betreffenden Knochens kommen kann. Dagegen entwickelt sich der Oberschenkel der Gegenseite in der Regel normal. Daraus resultiert natürlich ein nicht unerheblicher Beinlängenunterschied, welches wiederum orthopädisch behandelt werden muss.
Natürlich birgt die operative Therapie auch Risiken und Komplikationen. Werden bei dem Eingriff die Drahtstifte (Kirschnerdraht) oder die Schrauben zu tief eingebracht, so ragen Anteile des fixierenden Metalls in den Gelenkspalt hinein. Bei jeder Bewegung werden dann die sensiblen Gelenkknorpel verletzt und führen zu einer vorzeitigen Arthrose des Hüftgelenks. Während der Operation arbeitet man daher ständig mit Hilfe von Röntgenbildern, um die Lage der Metalle zu kontrollieren und um diese Folgen zu vermeiden.
Auf der anderen Seite können nicht weit genug angebrachte Stifte zu einer erneuten Lösung des Hüftkopfes führen. Der Operateur hat also die Aufgabe, die richtigen Materialen zu wählen und diese optimal im Knochen zu positionieren. Da die Erkrankung in den meisten Fällen auf beiden Seiten auftritt, wird unter Umständen die noch gesunde Gegenseite prophylaktisch (zur Vorbeugung) mit operiert, um einem eventuell später eintretenden Krankheitsbefall vorzugreifen. In der Medizin wird dieser Eingriff auch als „Epiphysedese" bezeichnet.
Für den operativen Eingriff ist in der Regel ein Klinikaufenthalt von 10 bis 14 Tagen erforderlich. Der Betroffene sollte auch nach Entlassung aus der Klinik, sein Hüftgelenk nur sehr vorsichtig belasten. Zu Beginn sollte die Belastung mit Gehhilfen (Krücken oder Gehwagen) erfolgen und in den folgenden Wochen und Monaten langsam gesteigert werden. Im weiteren Verlauf kann sich nun die durch die Operation stabilisierte Schwachstelle relativ normal entwickeln und verknöchert am Ende der Pubertät. Die Drahtstifte oder Schrauben werden recht zügig wieder entfernt, wenn der Reifeprozess des Oberschenkelknochens abgeschlossen ist.
Beim Krankheitsverlauf unterscheidet man zwischen zwei Formen:
In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung chronisch. In der Regel dauert der schleichende Gleitprozess (Abrutschen des Hüftkopfes nach unten und Verschiebung des Schenkelhalses in Gegenrichtung) Wochen bis Monate, kann aber zu jeder Zeit zum Stillstand kommen.
Dagegen handelt es sich beim seltenen akuten Abrutschen des Hüftkopfes immer um einen orthopädischen Notfall. Der Hüftkopf löst sich hier plötzlich und vollständig vom Schenkelhals mit sehr starker Verschiebung. Hier muss umgehend fachgerecht behandelt werden, um eine Hüftkopfnekrose zu verhindern.
Wie in vielen Fällen ist auch hier ein möglichst frühes Erkennen und Behandeln der Krankheit entscheiden für die Prognose. Die Krankheit heilt in der Regel bei einer guten Therapie schnell aus. Grund dafür ist, dass die Wachstumsfugen gegen Ende der Pubertät verknöchern und dadurch die vorübergehende Schwachstelle des Oberschenkelknochens beseitigt wird.
Reparations- und Umbauvorgänge im erkrankten Knochen finden bis zum Wachstumsabschluss statt, so dass Veränderungen, die durch die Erkrankung aufgetreten sind, teilweise wieder ausgeglichen werden. Nach der Abheilung sind die Betroffenen in der Regel wieder beschwerdefrei. Im Einzelfall können aber auch leichte Bewegungseinschränkungen zurückbleiben.
In jeder Phase der Erkrankung sollte eine begleitende krankengymnastische Behandlung durchgeführt werden. Durch die Mobilisation des Hüftgelenks, hilft sie dem Betroffenen wieder eine befriedigende Beweglichkeit zu erlangen. Auch das eventuell aufgetretene Hinken kann durch eine Gangschulung und ein gezieltes Muskeltraining wieder ausgeglichen werden.
Leider können auch nach der Abheilung, Veränderungen im Hüftgelenk zurückbleiben. Obwohl die Betroffenen lange Zeit beschwerdefrei sind, besteht dennoch ein erhöhtes Risiko, früh an einer Arthrose zu erkranken. Das Auftreten und die Schwere der Arthrose sind im Wesentlichen vom Krankheitsverlauf und dem Restdefekt abhängig. Trotzdem muss nicht zwangsläufig nach einer jugendlichen Hüftkopflösung eine Arthrose entstehen.
Letzte Aktualisierung am 18.05.2021.